Liquid Democracy in der Bürgerbeteiligung – Eine Analyse zu LiquidFriesland  

news :: 2014
von Jan Behrens am 07. Juli 2014

Obwohl Liquid Democracy oft mit der Idee verbunden wird, die auf staatlicher Ebene bestehende repräsentative Demokratie zu ersetzen, wurde LiquidFeedback ausdrücklich nicht für die direkte Nutzung durch alle Bürger, sondern für die Verwendung in politischen Parteien entwickelt. Als Entwickler von LiquidFeedback standen wir vielen Vorschlägen, wie unsere Software in der Bürgerbeteiligung eingesetzt werden könnte, kritisch gegenüber.[1] Dennoch präsentierte der Landkreis Friesland einen erfolgversprechenden Plan zum Einsatz von LiquidFeedback in der Bürgerbeteiligung, welcher auch umgesetzt wurde. Das Projekt trägt den Namen „LiquidFriesland“ und ist seit November 2012 in Betrieb.

Die Frage, ob LiquidFriesland nun als Erfolg zu werten ist oder nicht, wurde seitdem viel debattiert. Aus der Opposition im Kreistag (welche dem Projekt zugestimmt hatte[2]) wurde als Messlatte für den Erfolg eine kontinuierliche Beteiligung von zumindest 100 Teilnehmern angelegt.[3] Aber wie hoch ist die Beteiligung an LiquidFriesland in der Praxis? Und ab welcher Beteiligung kann von einem Erfolg gesprochen werden? Bevor diese Fragen beantwortet werden können, müssen wir zunächst die Ziele von LiquidFriesland betrachten.

Zusätzlicher Kanal

LiquidFriesland ist ein zusätzlicher Kanal, mit dem sich Bürger des Landskreises politisches Gehör verschaffen können.[4][5] Obwohl LiquidFeedback verbindliche Entscheidungen der Teilnehmer ermöglicht, werden die Ergebnisse aus LiquidFriesland dennoch nicht als solche gewertet. Sie stellen eine Eingabe an den Kreistag dar.[6] Verbindliche Entscheidungen, die alle Bürger repräsentieren, waren hierbei nicht beabsichtigt, zumal sie bei dieser Art der Bürgerbeteiligung auch gar nicht nötig sind. Jeder, der nicht Willens oder nicht in der Lage ist, am Online-Diskurs teilzunehmen, kann weiterhin auf eine klassische Unterschriftensammlung als Eingabe an die Politik zurückgreifen, bei der im Übrigen ebenfalls keine repräsentative Quantifizierung vorgesehen bzw. nötig ist.

Quantifiziert und repräsentiert – es ist kompliziert

Im Falle von LiquidFriesland sind die Abstimmungs- und Quantizifierungsmechnismen von LiquidFeedback darauf beschränkt, eine qualitative Rückmeldung zu geben (z.B. „es gab einige gegenteilige Meinungen“) und nicht in der Lage quantifizierte Rückmeldungen auf Basis der gesamten Bevölkerung des Landkreises zu erzeugen (z.B. „eine Mehrheit unserer Bürger ist gegen diesen Vorschlag“).

(Natürlich erzeugt LiquidFeedback auch hier quantifizierte Rückmeldungen, aufgrund der selektiven Auswahl des Teilnehmerkreises gibt es aber nicht notwendigerweise eine Übereinstimmung mit der Meinung der gesamten Bevölkerung.)

Dennoch ist der Quantifizierungsprozess von LiquidFeedback nicht ohne Bedeutung. LiquidFeedbacks Mechanismen zur Abstimmung und zur Zählung der Unterstützung sowie die eingebauten Algorithmen zum Minderheitenschutz („Harmonic Weighting“ und „Proportional Runoff“) stellen innerhalb der Teilnehmergruppe sicher, dass keine Teilgruppe innerhalb des Systems durch intensivere Teilnahme größer erscheint als sie wirklich ist.[7, section 4.10] Die Repräsentation der Teilnehmer hängt ausschließlich davon ab, ob sie teilnehmen und nicht davon wie lautstark sie auftreten (vgl. [7, subsection 4.10.4]). Mit diesen Mechanismen bietet LiquidFriesland große Vorteile im Vergleich zu anderen Online-Plattformen.

Da außerdem sichergestellt wird, dass ausschließlich Bewohner des Landkreises Friesland einen (und auch nicht mehr als einen) Account erhalten können, kann die Quantifizierung aus Sicht der Politiker zumindest als Mengen von „als echt verifizierten Bürgern“ mit bestimmten Meinungen für bzw. gegen bestimmte Vorschläge verstanden werden. Ebenso werden auf diese Weise nicht nur einzelne Gruppen von Bürgern gehört, sondern zugleich auch diejenigen, die alternative oder gegenteilige Vorschläge haben.

Auf Datensuche

Schon aus grundsätzlichen Überlegungen kann die Anzahl der Teilnehmer kein geeigneter Messwert für den Erfolg einer Bürgerbeteiligung sein.[7, subsection 6.1.5] Dies vorausgeschickt und auch die positive Wirkung der bloßen Existenz eines solchen Systems auf die Einstellung von Bürgern und Politikern hier außer Acht lassend, wollen wir dennoch einen Blick auf die Teilnehmerzahlen von LiquidFriesland werfen.

Leider hat sich der Landkreis entschieden, den öffentlichen Zugriff auf die Daten von LiquidFriesland zu begrenzen. Deshalb können nur registrierte Friesen die Abstimmungslisten einsehen. Wir müssen uns bei unserer Analyse daher auf die öffentlich verfügbaren Daten beschränken. Dies sind (a) die aggregierten Stimmenanzahlen [8] und (b) Statistiken, die durch den Landkreis veröffentlicht wurden [9].

Von der öffentlich abrufbaren Webseite https://www.liquid-friesland.de/lf/index/index.html?tab=closed haben wir die folgenden Daten zusammengetragen:

Abbildung 1: „Stimmenanzahlen in (ab-)geschlossenen Themen in LiquidFriesland (Themen mit Endzeitpunkt bis Ende Juni 2014)“:

Das angegebene Datum gibt jeweils den Endzeitpunkt an.

Für Themen, bei denen mehr als eine Initiative das 2. Quorum erreicht hat, ist die Anzahl der Ja- und Nein-Stimmen sowie der Enthaltungen jeweils für die führende Initiative angegeben.
(Die Summe der Ja- und Nein-Stimmen sowie der Enthaltungen ist für alle Initiativen eines Themas stets die selbe.)

Für Themen, bei denen keine Initiative das 2. Quorum erreicht hat, wird die Anzahl der Unterstützer einschließlich der potentiellen Unterstützer für die Initiative angegeben, die am meisten Unterstützung erhalten hat.

2012-11-30 Verwaltungsverfahren #13 mit 7 Ja, 0 Nein, 0 aktive Enthaltungen;
2012-12-07 Verwaltungsverfahren #8 mit 18 Ja, 7 Nein, 1 aktive Enthaltung;
2012-12-07 Verwaltungsverfahren #18 mit 11 Ja, 2 Nein, 1 aktive Enthaltung;
2012-12-07 Verwaltungsverfahren #6 mit 10 Ja, 5 Nein, 1 aktive Enthaltung;
2012-12-08 Verwaltungsverfahren #1 mit 24 Ja, 18 Nein, 6 aktive Enthaltungen für die bevorzugte Initiative;
2012-12-11 Bürgerverfahren #2 mit 4 Ja, 20 Nein, 3 aktive Enthaltungen;
2012-12-11 Bürgerverfahren #3 mit 8 Ja, 4 Nein, 4 aktive Enthaltungen für die bevorzugte Initiative;
2012-12-11 Bürgerverfahren #4 mit 22 Ja, 6 Nein, 9 aktive Enthaltungen für die bevorzugte Initiative;
2012-12-11 Bürgerverfahren #5 mit 12 Ja, 3 Nein, 4 aktive Enthaltungen;
2012-12-15 Bürgerverfahren #9 mit 20 Ja, 20 Nein, 10 aktive Enthaltungen für die bevorzugte Initiative;
2012-12-15 Bürgerverfahren #10 mit 10 Ja, 4 Nein, 1 aktive Enthaltung;
2012-12-16 Bürgerverfahren #11 mit 19 Ja, 4 Nein, 2 aktive Enthaltungen;
2012-12-16 Bürgerverfahren #12 mit 12 Ja, 2 Nein, 2 aktive Enthaltungen;
2012-12-26 Bürgerverfahren #14 mit 10 Ja, 3 Nein, 1 aktive Enthaltung;
2012-12-27 Bürgerverfahren #15 mit 18 Ja, 2 Nein, 2 aktive Enthaltungen;
2012-12-29 Bürgerverfahren #16 mit 14 Ja, 3 Nein, 3 aktive Enthaltungen;
2013-01-02 Bürgerverfahren #17 mit 14 Ja, 13 Nein, 4 aktive Enthaltungen;
2013-01-15 Bürgerverfahren #19 mit 2 Unterstützer, 0 potentialle Unterstützer, 39 Nicht-Unterstützer bezogen auf die Grundgesamtheit;
2013-02-10 Bürgerverfahren #26 mit 4 Unterstützer, 0 potentialle Unterstützer, 48 Nicht-Unterstützer bezogen auf die Grundgesamtheit;
2013-02-12 Bürgerverfahren #27 mit 3 Unterstützer, 0 potentialle Unterstützer, 50 Nicht-Unterstützer bezogen auf die Grundgesamtheit;
2013-02-15 Bürgerverfahren #20 mit 18 Ja, 2 Nein, 1 aktive Enthaltung;
2013-03-01 Verwaltungsverfahren #21 mit 33 Ja, 2 Nein, 1 aktive Enthaltung;
2013-03-07 Bürgerverfahren #22 mit 16 Ja, 1 Nein, 3 aktive Enthaltungen;
2013-03-08 Bürgerverfahren #24 mit 24 Ja, 0 Nein, 4 aktive Enthaltungen;
2013-03-09 Bürgerverfahren #23 mit 12 Ja, 3 Nein, 2 aktive Enthaltungen;
2013-03-09 Bürgerverfahren #25 mit 12 Ja, 1 Nein, 3 aktive Enthaltungen;
2013-03-13 Bürgerverfahren #28 mit 3 Ja, 0 Nein, 2 aktive Enthaltungen;
2013-03-16 Bürgerverfahren #30 mit 12 Ja, 2 Nein, 1 aktive Enthaltung;
2013-03-17 Bürgerverfahren #31 mit 23 Ja, 0 Nein, 2 aktive Enthaltungen;
2013-03-17 Bürgerverfahren #29 mit 7 Ja, 5 Nein, 0 aktive Enthaltungen;
2013-03-19 Bürgerverfahren #32 mit 13 Ja, 0 Nein, 2 aktive Enthaltungen;
2013-03-22 Bürgerverfahren #36 mit 5 Unterstützer, 0 potentialle Unterstützer, 54 Nicht-Unterstützer bezogen auf die Grundgesamtheit;
2013-03-27 Bürgerverfahren #38 mit 4 Unterstützer, 0 potentialle Unterstützer, 47 Nicht-Unterstützer bezogen auf die Grundgesamtheit;
2013-04-04 Bürgerverfahren #33 mit 13 Ja, 0 Nein, 1 aktive Enthaltung;
2013-04-11 Bürgerverfahren #40 vom Initiator zurückgezogen;
2013-04-16 Bürgerverfahren #34 mit 7 Ja, 3 Nein, 0 aktive Enthaltungen;
2013-04-16 Bürgerverfahren #35 mit 7 Ja, 1 Nein, 3 aktive Enthaltungen;
2013-04-18 Bürgerverfahren #41 mit 3 Unterstützer, 0 potentialle Unterstützer, 58 Nicht-Unterstützer bezogen auf die Grundgesamtheit;
2013-04-23 Bürgerverfahren #42 mit 1 supporter, 0 potentialle Unterstützer, 61 Nicht-Unterstützer bezogen auf die Grundgesamtheit;
2013-04-24 Bürgerverfahren #37 mit 8 Ja, 1 Nein, 5 aktive Enthaltungen;
2013-05-14 Bürgerverfahren #39 mit 13 Ja, 0 Nein, 3 aktive Enthaltungen;
2013-06-09 Bürgerverfahren #43 mit 30 Ja, 1 Nein, 6 aktive Enthaltungen;
2013-06-13 Bürgerverfahren #44 mit 15 Ja, 3 diaJa, 1 aktive Enthaltung;
2013-06-14 Bürgerverfahren #48 mit 5 Unterstützer, 0 potentialle Unterstützer, 49 Nicht-Unterstützer bezogen auf die Grundgesamtheit;
2013-06-17 Verwaltungsverfahren #45 mit 8 Ja, 1 Nein, 2 aktive Enthaltung für die bevorzugte Initiative;
2013-06-17 Verwaltungsverfahren #46 mit 33 Ja, 1 Nein, 6 aktive Enthaltungen;
2013-06-29 Bürgerverfahren #53 vom Initiator zurückgezogen;
2013-06-29 Bürgerverfahren #54 vom Initiator zurückgezogen;
2013-07-05 Bürgerverfahren #52 von den Initiatoren zurückgezogen;
2013-07-09 Bürgerverfahren #47 mit 19 Ja, 1 Nein, 3 aktive Enthaltungen;
2013-07-27 Bürgerverfahren #49 mit 5 Ja, 3 Nein, 1 aktive Enthaltungen;
2013-07-29 Bürgerverfahren #51 mit 21 Ja, 3 Nein, 1 aktive Enthaltung;
2013-07-31 Verwaltungsverfahren #50 mit 21 Ja, 5 Nein, 8 aktive Enthaltungen;
2013-08-04 Bürgerverfahren #55 mit 17 Ja, 0 Nein, 1 aktive Enthaltung;
2013-08-10 Bürgerverfahren #56 durch administrativen Eingriff abgebrochen;
2013-08-16 Bürgerverfahren #59 vom Initiator zurückgezogen;
2013-09-11 Bürgerverfahren #58 mit 17 Ja, 0 Nein, 1 aktive Enthaltung;
2013-09-18 Bürgerverfahren #57 mit 17 Ja, 0 Nein, 1 aktive Enthaltung für die bevorzugte Initiative;
2013-09-24 Bürgerverfahren #61 mit 24 Ja, 0 Nein, 3 aktive Enthaltungen;
2013-09-24 Bürgerverfahren #60 mit 13 Ja, 2 Nein, 2 aktive Enthaltungen;
2013-10-10 Bürgerverfahren #64 mit 4 Unterstützer, 1 potentieller Unterstützer, 65 Nicht-Unterstützer bezogen auf die Grundgesamtheit;
2013-10-12 Bürgerverfahren #65 mit 5 Unterstützer, 0 potentialle Unterstützer, 53 Nicht-Unterstützer bezogen auf die Grundgesamtheit für die am meisten unterstütze Initiative;
2013-10-16 Bürgerverfahren #63 mit 11 Ja, 0 Nein, 1 aktive Enthaltung;
2013-10-30 Verwaltungsverfahren #62 mit 8 Ja, 6 Nein, 5 aktive Enthaltungen;
2013-11-07 Bürgerverfahren #66 mit 5 Ja, 12 Nein, 0 aktive Enthaltungen;
2013-11-08 Bürgerverfahren #67 mit 13 Ja, 1 Nein, 2 aktive Enthaltungen;
2013-12-11 Verwaltungsverfahren #69 mit 68 Ja, 12 Nein, 24 aktive Enthaltungen;
2013-12-26 Bürgerverfahren #68 mit 18 Ja, 2 Nein, 1 aktive Enthaltung;
2014-01-08 Bürgerverfahren #71 vom Initiator zurückgezogen;
2014-01-14 Bürgerverfahren #70 mit 26 Ja, 4 Nein, 2 aktive Enthaltungen;
2014-02-16 Bürgerverfahren #72 mit 9 Ja, 3 Nein, 2 aktive Enthaltungen;
2014-02-16 Bürgerverfahren #73 mit 7 Ja, 5 Nein, 1 aktive Enthaltung;
2014-02-20 Verwaltungsverfahren #74 mit 9 Ja, 3 Nein, 2 aktive Enthaltungen für die bevorzugte Initiative;
2014-03-08 Bürgerverfahren #75 mit 12 Ja, 4 Nein, 2 aktive Enthaltungen;
2014-04-22 Bürgerverfahren #76 mit 4 Ja, 0 Nein, 0 aktive Enthaltungen;
2014-05-30 Bürgerverfahren #77 mit 3 Unterstützer, 0 potentialle Unterstützer, 66 Nicht-Unterstützer bezogen auf die Grundgesamtheit;
2014-06-22 Bürgerverfahren #79 mit 18 Ja, 0 Nein, 1 aktive Enthaltung;
2014-06-23 Bürgerverfahren #78 mit 13 Ja, 1 Nein, 0 aktive Enthaltungen.

Interpretation

Sowohl die Ja- und Nein-Stimmen als auch die (aktiven) Enthaltungen können als aktive Beteiligung am System gewertet werden. Bei Themen, die die Abstimmung nicht erreicht haben, könnte die Anzahl der Unterstützer und potentiellen Unterstützer herangezogen werden. Dies kann jedoch in die Irre führen, da Teilnehmer, die gegen alle Initiativen des Themas sind, hier nicht aufgeführt sind. Die Grundgesamtheit kann ebenfalls nicht verwendet werden, da sie auch Teilnehmer enthält die lediglich für den jeweiligen Themenbereich angemeldet, jedoch nicht am Thema beteiligt sind.[7, section 4.9] Daher betrachten wir nur die Themen, bei denen zumindest eine Initiative das 2. Quorum erreicht hat (und somit in die Abstimmung gelangt ist).

Um die Anzahl der aktiven Teilnehmer zu ermitteln, zählen wir die Ja- und Nein-Stimmen sowie die aktiven Enthaltungen zusammen. Es ist zu beachten, dass diese Werte jeweils die untere Grenze der Anzahl von aktiven Teilnehmern darstellen. Durch Teilnehmer, die zwar an der Diskussion teilgenommen aber nicht abgestimmt haben, kann die tatsächliche Beteiligung höher gewesen sein.

Abbildung 2 „Aktive Teilnehmer in der Abstimmung“

#13 am 2012-11-30: 7 Teilnehmer;
#8 am 2012-12-07: 26 Teilnehmer;
#18 am 2012-12-07: 14 Teilnehmer;
#6 am 2012-12-07: 16 Teilnehmer;
#1 am 2012-12-08: 48 Teilnehmer;
#2 am 2012-12-11: 27 Teilnehmer;
#3 am 2012-12-11: 16 Teilnehmer;
#4 am 2012-12-11: 37 Teilnehmer;
#5 am 2012-12-11: 19 Teilnehmer;
#9 am 2012-12-15: 50 Teilnehmer;
#10 am 2012-12-15: 15 Teilnehmer;
#11 am 2012-12-16: 25 Teilnehmer;
#12 am 2012-12-16: 16 Teilnehmer;
#14 am 2012-12-26: 14 Teilnehmer;
#15 am 2012-12-27: 22 Teilnehmer;
#16 am 2012-12-29: 20 Teilnehmer;
#17 am 2013-01-02: 31 Teilnehmer;
#20 am 2013-02-15: 21 Teilnehmer;
#21 am 2013-03-01: 36 Teilnehmer;
#22 am 2013-03-07: 20 Teilnehmer;
#24 am 2013-03-08: 28 Teilnehmer;
#23 am 2013-03-09: 17 Teilnehmer;
#25 am 2013-03-09: 16 Teilnehmer;
#28 am 2013-03-13: 5 Teilnehmer;
#30 am 2013-03-16: 15 Teilnehmer;
#31 am 2013-03-17: 25 Teilnehmer;
#29 am 2013-03-17: 12 Teilnehmer;
#32 am 2013-03-19: 15 Teilnehmer;
#33 am 2013-04-04: 14 Teilnehmer;
#34 am 2013-04-16: 10 Teilnehmer;
#35 am 2013-04-16: 11 Teilnehmer;
#37 am 2013-04-24: 14 Teilnehmer;
#39 am 2013-05-14: 16 Teilnehmer;
#43 am 2013-06-09: 37 Teilnehmer;
#44 am 2013-06-13: 19 Teilnehmer;
#45 am 2013-06-17: 11 Teilnehmer;
#46 am 2013-06-17: 40 Teilnehmer;
#47 am 2013-07-09: 23 Teilnehmer;
#49 am 2013-07-27: 9 Teilnehmer;
#51 am 2013-07-29: 25 Teilnehmer;
#50 am 2013-07-31: 34 Teilnehmer;
#55 am 2013-08-04: 18 Teilnehmer;
#58 am 2013-09-11: 18 Teilnehmer;
#57 am 2013-09-18: 18 Teilnehmer;
#61 am 2013-09-24: 27 Teilnehmer;
#60 am 2013-09-24: 17 Teilnehmer;
#63 am 2013-10-16: 12 Teilnehmer;
#62 am 2013-10-30: 19 Teilnehmer;
#66 am 2013-11-07: 17 Teilnehmer;
#67 am 2013-11-08: 16 Teilnehmer;
#69 am 2013-12-11: 104 Teilnehmer;
#68 am 2013-12-26: 21 Teilnehmer;
#70 am 2014-01-14: 32 Teilnehmer;
#72 am 2014-02-16: 14 Teilnehmer;
#73 am 2014-02-16: 13 Teilnehmer;
#74 am 2014-02-20: 14 Teilnehmer;
#75 am 2014-03-08: 18 Teilnehmer;
#76 am 2014-04-22: 4 Teilnehmer;
#79 am 2014-06-22: 19 Teilnehmer;
#78 am 2014-06-23: 14 Teilnehmer.

Methode A: Durchschnittswert der Teilnehmeranzahl

Diese Zahlen können nun unterschiedlich interpretiert werden. Der naheliegenste Ansatz ist, für einen bestimmen Zeitraum die durchschnittliche Teilnehmeranzahl je Thema zu ermitteln. Auch wenn sich dieser Ansatz geradezu von selbst aufdrängt, ist er dennoch als generelle Messlatte für die Beteiligung abzulehnen: Zusätzliche Themen (also mehr Beteiligung) könnten nämlich zu einem geringeren Durchschnittswert führen.

Methode B: Maximum der Teilnehmer je Thema

Ein besser geeigneter Wert scheint das Maximum der Teilnehmer je Thema für einen bestimmten Zeitraum zu sein (siehe Abbildung 3). Aber auch dieser Wert leidet unter einer Einschränkung: Er wird größer, wenn mehr Teilnehmer am selben Thema interessiert sind. Hierzu ein Beispiel: Angenommen es gibt in einem Quartal 100 Teilnehmer, dann könnte das Maximum der Teilnehmeranzahl je Thema für dieses Quartal bis zu 100 sein, genausogut aber auch nur 10, falls sich die Teilnehmer auf unterschiedliche Themen verteilen. Daher bleibt festzustellen, dass auch dieser Wert als generelle Messlatte der Beteiligung ungeeignet ist.

Abbildung 3 „Maximum der abstimmenden Teilnehmer je Thema aufgeschlüsselt nach Quartal“

4. Quartal 2012: 50 Teilnehmer;
1. Quartal 2013: 36 Teilnehmer;
2. Quartal 2013: 40 Teilnehmer;
3. Quartal 2013: 34 Teilnehmer;
4. Quartal 2013: 104 Teilnehmer;
1. Quartal 2014: 18 Teilnehmer;
2. Quartal 2014: 19 Teilnehmer.

Methode C: Jeder aktive Teilnehmer zählt

Die wohl beste Methode wäre – unabhängig von den konkret behandelten Themen – die Anzahl der Teilnehmer, die in einem Zeitraum überhaupt irgendeine Art von Aktivität entwickelt haben, zu messen. Leider sind dafür die in Abbildung 2 dargestellten Werte nicht ausreichend, denn es ist unmöglich festzustellen, wie stark sich die Teilnehmer auf die unterschiedlichen Themen zerfasern. Der Landkreis Friesland hat hierzu einige – jedoch über die gesamte bisherige Laufzeit aggregierte – Werte in seinem Evaluierungsbericht[9] veröffentlicht: 458 Teilnehmer waren mindestens einmal im System aktiv, 183 zumindest an zwei und 116 an zumindest drei Themen beteiligt. Wie sich die Beteiligung diesbezüglich über die Laufzeit entwickelt hat, ist dem Bericht nicht zu entnehmen.

Methode D: Die Summe aller Stimmen

Ein weiterer interessanter Wert könnte die Summe der abgegebenen Stimmen innerhalb eines Zeitraumes sein (siehe Abbildung 4). Hierbei wird neben der Anzahl der Teilnehmer auch deren Beteiligungsintensität berücksichtigt.

Abbildung 4 „Summe der abgegebenen Stimmen pro Quartal“

Pro Thema und Teilnehmer ist hier jeweils eine Stimme gewertet worden, d.h. ein Stimmzettel (ggf. mit Präferenzinformationen zu mehreren Initiativen) gilt als eine Stimme.

4. Quartal 2012: 372 Stimmen;
1. Quartal 2013: 241 Stimmen;
2. Quartal 2013: 172 Stimmen;
3. Quartal 2013: 171 Stimmen;
4. Quartal 2013: 189 Stimmen;
1. Quartal 2014: 91 Stimmen;
2. Quartal 2014: 37 Stimmen.

1 Promille

Wenn wir alle diese Beschränkungen des Zahlenmaterials berücksichtigen, können wir dennoch mit Sicherheit sagen, dass im 4. Quartal 2013 zumindest 104 Teilnehmer im System aktiv waren (siehe Abbildung 3) und im 2. Quartal 2014 nicht mehr als 37 Teilnehmer abgestimmt haben (siehe Abbildung 4). Dennoch bleibt bezugnehmend auf das letzte Jahr festzuhalten, dass mehr als 100 Teilnehmer das System auch tatsächlich verwendet haben. Bezogen auf den Landkreis Friesland mit seinen ca. 100.000 Einwohnern entspricht dies etwa 0,1% der Bevölkerung.

Auch wenn dieser Wert auf den ersten Blick sehr klein erscheint, sollten wir ihn mit einem anderen Beteiligungssystem vergleichen, nämlich dem E-Petitionssystem des Deutschen Bundestags.[10]. Der Bundestag verlangt, dass eine Petition zumindest 50.000 Unterstützer sammeln muss,[11] damit diese im Petitionsausschuß behandelt wird. Bezugnehmend auf die aktuellen Einwohnerzahlen Deutschlands entspricht dies ca. 0,062% der Bevölkerung. Laut des entsprechenden Informationssystems des Bundestags haben bislang lediglich 18 Petitionen dieses Quorum erreicht.[12]

Vor diesem Hintergrund lässt sich feststellen, dass die Beteiligung an LiquidFriesland mindestens in der gleichen Größenordnung wie beim E-Petitionssystem des Deutschen Bundestags liegt. Dies drängt nun jedoch die Frage auf, ob LiquidFriesland einfach nur ein beliebiges weiteres elektronisches Beteiligungssystem ist?

LiquidFriesland vs. E-Petitionssysteme

Es gibt eine ganze Reihe an Unterschieden zwischen LiquidFriesland und z.B. dem E-Petitionssystem des Deutschen Bundestags. Zuallererst sei die Möglichkeit von LiquidFriesland genannt, mehrere konkurrierende Initiativen zu entwickeln. Jeder Teilnehmer kann eigene Vorschläge einbringen, ohne dass diese moderiert oder von einer Kommission mit anderen Vorschlägen zusammengeführt werden, wie dies beim E-Petitionsystem des Deutschen Bundestags der Fall ist.

Der Ausschuss behält sich vor, gleichgerichtete Petitionen zusammenzufassen und den Hauptpetenten zu bestimmen. Die weiteren Petenten werden als Unterstützer behandelt.

Richtlinie für die Behandlung von öffentlichen Petitionen
des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestags
[13]

In LiquidFeedback (und somit auch in LiquidFriesland) hingegen ist es immer möglich Gegenvorschläge und (Gegen-)Argumente einzubringen ohne von einer Antrags- oder Petitionskommission abhängig zu sein. Diese Vorschläge und Argumente werden dann anhand der Unterstützerzahlen quantifiziert und so dargestellt, dass jede Minderheit ihren Standpunkt angemessen darstellen kann.[7, chapter 4]

Durch seine Designkriterien verfügt LiquidFeedback über eine ganze Reihe wünschenswerter Eigenschaften, welche herkömmliche Petitionsverfahren nicht bieten können. Dennoch wird dieses Potential bisher noch lange nicht ausgeschöpft.

Verbindlichkeit

Der Kreistag von Friesland hat sich verpflichtet, jede erfolgreiche Intiative aus LiquidFriesland auf seine Tagesordnung zu setzen.[5][6] In vielen Fällen wird dies bereits die stärkste – zur Zeit – erreichbare Verbindlichkeit darstellen.

Um eine wirklich von den Bürgern selbst getriebene Politik zu verwirklichen, wäre es aber auch denkbar, dass die Teilnehmer eines LiquidFeedback-Systems verbindliche Referenden vorbereiten (welche dann wiederum in einer geheimen Abstimmung durch die Bürger entschieden würden).[7, subsection 6.3.4]

Die Verwaltung

Ein weiterer wichtiger Faktor für den Erfolg ist – neben der Frage wie ein höheres Maß an Verbindlichkeit erreicht werden kann – der Einsatz der Verwaltung. Im Falle von LiquidFriesland werden von der Verwaltung des Landkreises die Auswirkungen aller erfolgreichen Initiativen (getrennt nach Verwaltungs- und Bürgerverfahren) auf den weiteren politischen Prozess verfolgt und kommuniziert.[14]

Eine Verbesserungsmöglichkeit seitens der Verwaltung wäre bereits vor der Abstimmung in den Dialog mit den Teilnehmern zu treten: Im Falle unrealistischer Vorschläge könnte die Verwaltung ihre Einschätzung bereits während der Diskussion den Teilnehmern kommunizieren und damit auf eine realistisch umsetzbare Lösung hinarbeiten. Diese Beteiligung der Verwaltung sollte lediglich als Information geschehen, denn durch LiquidFeedbacks Mechanismen zur kollektiven Moderation durch proportionale Representation ist es nicht erforderlich einzelne Vorschläge auszufiltern oder gegen den Willen der Initiatoren zusammenzufassen.[7, chapter 4] Dennoch sollte sich die Verwaltung frühzeitig genug in die Debatte einbringen. Bürger erst abstimmen zu lassen und ihnen dann (also nachdem die Abstimmung der Bürger vorbei ist) zu erklären, warum der Vorschlag nicht umsetzbar ist, kann eine vernichtende Wirkung auf die Motivation haben. Ein Beispiel, in dem die Verwaltung des Landkreises Friesland nicht rechtzeitig kommuniziert hat, ist hier [15] und hier [16] dokumentiert.

Die Politiker

Aber nicht nur die Verwaltung könnte sich aktiver in die Debatte einbringen. Das Gleiche gilt auch für die betroffenen Politiker! Wenn Politiker das System betreten, bringen sie zugleich eine Menge politischer Erfahrung in den Diskussionsprozess ein. Die Politiker im Landkreis Friesland (zumindest die Kreistagsmitglieder) haben sich jedoch verpflichtet, nicht an LiquidFriesland teilzunehmen, sondern den Bürgern den Vortritt zu lassen.[6, Seite 8] Auch wenn dies auf den ersten Blick nach einer sehr noblen Geste aussieht, befreit es doch zugleich die Politiker davon, Bürgern direkt im Rahmen eines fairen Diskussionsprozesses gegenüberzutreten: Die Bürger diskutieren für sich und am Ende (also nachdem die Abstimmung der Bürger vorbei ist) kann die Politik wahlweise zustimmen oder Gegenargumente aufbringen, warum der Vorschlag nicht umsetzbar ist.

Die Abgeordneten des Kreistages und der Landrat des Landkreises Friesland verpflichten sich, nicht an Abstimmungen in LiquidFriesland teilzunehmen.

Projektbeschreibung LiquidFriesland,
Anlage zum Beschluss des Kreistags über die Einführung
[6, Seite 8]

Ein weitaus besserer Ansatz wäre den parlamentarischen Prozess mehr in das System zu tragen: Vorschläge, die im Parlament beraten werden, werden zugleich auch rechtzeitig in das LiquidFeedback-System eingebracht (also z.B. einen Monat vor der abschließenden Entscheidung im Parlament). Dies würde den Bürgern ausreichend Zeit und Gelegenheit geben, die Vorschläge zu überprüfen, eigene Pro- und Kontra-Argumente in Form von konkurrierenden Initiativen einzubringen und gegebenenfalls auch alternative oder gegenteilige Vorschläge zu machen: Politiker und Bürger debattieren auf Augenhöhe.

tl;dr

Doch zur Zeit sind das noch Träume. LiquidFriesland hat den ersten Schritt gemacht und ist – gerade im Vergleich zu vorhergehenden Experimenten mit Bürgerbeteiligung – auf jeden Fall als Erfolg zu werten. Aber jetzt ist es wichtig weiterzugehen und die nächsten Schritte hin zu fairen und transparenten Beteiligungsprozessen zu gehen, damit alle Menschen direkter die Politik beeinflussen und mitbestimmen könnnen.

Dieser Artikel wird in Kürze auch in englischer Sprache im Magazin „The Liquid Democracy Journal on electronic participation, collective moderation, and voting systems“ (ISSN 2198-9532) erscheinen.

_____
[1] Axel Kistner: „Bürgerbeteiligung mit LiquidFeedback“ auf blog.liquidfeedback.org, 2. Mai 2013. http://blog.liquidfeedback.org/2012/05/02/burgerbeteiligung-mit-liquidfeedback/
[2] „Niederschrift über die 4. öffentliche Sitzung des Kreistages des Landkreises Friesland am Mittwoch, 11. Juli 2012“ http://www.friesland.de/bi/vo0050.php?__kvonr=1141
[3] Kathrin Drehkopf (Norddeutscher Rundfunk): „Wie läuft das ‘Liquid’-Projekt in Friesland?“ vom 20. Dezember 2012 auf http://www.ndr.de/ratgeber/netzwelt/liquid103.html archiviert auf http://web.archive.org/web/20130125193551/http://www.ndr.de/ratgeber/netzwelt/liquid103.html
[4] Pressemitteilung vom 11. Juli 2012 zu LiquidFriesland (Landkreis Friesland, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Sönke Klug). http://www.friesland.de/medien/dokumente/085_pm_kreistag_fuer_liquidfriesland.pdf?20121108114449
[5] Informationsfaltblatt über LiquidFriesland wie im November 2012 durch den Landkreis veröffentlicht (Landkreis Friesland, Kreisverwaltung, Landrat Sven Ambrosy). http://www.friesland.de/medien/dokumente/liquid_friesland_flyer_aussen.pdf?20121112124915 auch abrufbar unter http://www.friesland.de/portal/seiten/liquidfriesland-infos-zur-plattform-901000772-20800.html
[6] Anhang ‚Projektbeschreibung‘ zur „Vorlage 0145/2012“ vom 28. Juni 2012 zur Vorlage am 11. Juli 2012 im Kreistag. http://buergerinfo.friesland.de/vo0050.php?__kvonr=1141
[7] Behrens, Kistner, Nitsche, Swierczek: „The Principles of LiquidFeedback“. ISBN 978-3-00-044795-2. Im Januar 2014 vom Interaktive Demokratie e. V. veröffentlicht, erhältlich unter: http://principles.liquidfeedback.org/
[8] LiquidFriesland-Plattform auf https://www.liquid-friesland.de/lf/index/index.html?tab=closed (abgerufen 2014-07-03)
[9] „LiquidFriesland Evaluierungsbericht – Juni 2013“ wie durch den Landkreis Friesland veröffentlicht. http://www.friesland.de/downloads/datei/OTAxMDA0MTUzOy07L3Vzci9sb2NhbC9odHRwZC92aHRkb2NzL2ZyaWVzbGFuZC9mcmllc2xhbmQvbWVkaWVuL2Rva3VtZW50ZS9saXF1aWRmcmllc2xhbmRfZXZhbHVpZXJ1bmdfanVuaTIwMTMucGRm
[10] E-Petitions-System des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestags https://epetitionen.bundestag.de/
[11] https://epetitionen.bundestag.de/epet/service.$$$.rubrik.quorum.html (abgerufen 2014-07-07)
[12] https://epetitionen.bundestag.de/epet/petuebersicht/mz.nc.html (verwendet 2014-07-07)
[13] https://epetitionen.bundestag.de/epet/service.$$$.rubrik.richtlinie.html (abgerufen 2014-07-07)
[14] http://www.friesland.de/portal/seiten/liquidfriesland-verwaltungsverfahren-verfolgen-901000784-20800.html und http://www.friesland.de/portal/seiten/liquidfriesland-buergerverfahren-verfolgen-901000785-20800.html
[15] https://www.liquid-friesland.de/lf/initiative/show/23.html (abgerufen 2014-07-07)
[16] http://buergerinfo.friesland.de/vo0050.php?__kvonr=1228 (abgerufen 2014-07-07)